Quelle: Physik Libre (Freies Physikbuch für die Sekundarstufe II)

Wie viel Arbeit ist notwendig, um einen Satelliten auf seine Umlaufbahn zu heben? Für die Hubarbeit auf der Erdoberfläche ist die Formel WHub = m⋅g⋅h bekannt. Bei kleinen Hubhöhen ändert sich die Gewichtskraft unmerklich und wir können mit einer konstanten Fallbeschleunigung rechnen. Bei großen Hubhöhen macht sich die Abnahme der Gravitationskraft mit der Höhe deutlich bemerkbar (Abbildung 1) und wir können von keinem konstanten Wert von g für die Berechnung ausgehen.

Hubarbeit im Gravitationsfeld
Abbildung 1: Hubarbeit im Gravitationsfeld

Für große Hubhöhen muss daher die Formel für die Arbeit im Gravitationsfeld verwendet werden:

WHub=G⋅m⋅M⋅[1/r1−1/r2]

Herleitung der Arbeit im Gravitationsfeld

In der Formel steht m für die Masse des zu hebenden Körpers, M die Masse des Planeten und G die Gravitationskonstante. r1 ist der Anfangsabstand und r2 ist der Endabstand des Körpers zum Massenmittelpunkt des Planeten.

Wir nähern den Flächeninhalt durch die Summe von Rechtecken an. Unterteilen wir das Intervall in vier Rechtecke, können wir die Arbeit als die Summe

Wgesamt ≈ W1 + W2 + W3 + W4

annähern, wobei W1,W2,… die Flächeninhalte der einzelnen Rechtecke sind.

Näherungsweise Berechung der Arbeit im Gravitationsfeld durch Rechtssummen.
Abbildung 2: Näherungsweise Berechnung der Arbeit im Gravitationsfeld durch Rechtssummen

Wählen wir als Höhe der Rechtecke den Funktionswert am Anfang des Intervalls, erhalten wir eine zu große Summe. Wählen wir als Höhe der Rechtecke den Funktionswert am Ende des Intervalls, erhalten wir eine zu kleine Summe (Abbildung 2).

Am besten nehmen wir einen Wert zwischen beiden Funktionswerten. Da r02<r0⋅r1<r12 gilt, wählen wir für das erste Rechteck die Zwischenhöhe

Für den Flächeninhalt des ersten Streifens (Höhe mal Breite) gilt dann:

Genau so lassen sich auch die Flächeninhalte der anderen Streifen anschreiben.

Für die Gesamtsumme erhalten wir:

Durch unsere intelligente Wahl für die Rechteckhöhe der Streifen heben sich alle Summanden in der Mitte auf. Es hätte auch keinen Unterschied gemacht, hätten wir fünf, sechs oder mehr Streifen für die Berechnung verwendet – die so gebildete Rechtecksumme ist unabhängig von der Anzahl der Streifen. Das Ergebnis ist also nicht nur eine Näherung, sondern entspricht exakt dem Flächeninhalt unter der Kurve.

Konservative Kraft

Bisher haben wir so getan, als könnten wir einen Satelliten direkt senkrecht nach oben in seine Umlaufbahn heben. In der Praxis wird ein Satellit aber entlang einer Bahn um die Erde in seine Umlaufbahn gebracht. Müssen wir unsere bisherigen Überlegungen bezüglich Arbeit korrigieren? Glücklicherweise: Nein. Die Arbeit im Gravitationsfeld hängt tatsächlich nur von dem Anfangs- und Endpunkt im Feld ab – es ist vollkommen egal, auf welchem Weg die Masse vom Anfangspunkt zum Endpunkt gelangt. Ist in einem Kraftfeld so wie hier die Arbeit wegunabhängig wird die zugehörige Kraft als konservativen Kraft (engl. conservative force) bezeichnet.

Wegunabhängigkeit der Hubarbeit in einem Gravitationsfeld
Abbildung 3: Wegunabhängigkeit der Hubarbeit in einem Gravitationsfeld

Jeder Weg von einem Anfangspunkt A zu einem Endpunkt B in einem Gravitationsfeld kann durch einen Weg ersetzt werden, der nur aus radialen und tangentialen Wegstücken besteht (Graue Linie in Abbildung 3). Entlang aller tangentialen Wegstücke ist die Arbeit aber immer null, weil Kraft- und Weg-Vektor dort stets normal aufeinander stehen. Nur entlang der radialen Wegstücke wird Arbeit verrichtet. Für alle Wege, die denselben Start- und Endpunkt haben, wird dieselbe Arbeit im Gravitationsfeld benötigt.

Für einen geschlossenen Weg im Gravitationsfeld (der Anfangspunkt ist gleich der Endpunkt) ist die Arbeit sogar null. Daraus folgt, dass ein Satellit – einmal auf eine Umlaufbahn gebracht – keinen weiteren Antrieb benötigt und ewig im Orbit bleibt.

Abtrennarbeit

Wie viel Arbeit ist notwendig, um einen Körper von der Erdoberfläche für immer zu entfernen? Durch das 1/r2-Abstandsgesetz wirkt die Gravitationskraft zwar in jeder noch so großen Entfernung, aber ihre Wirkung nimmt mit dem Abstand rasch ab. Die Hubarbeit, um einen Körper ins Unendliche zu „heben“, hat zwar unendlich viele Summanden, aber ihre Summe ist trotzdem ein endlicher Wert (Grenzwert), so wie beispielsweise diese endliche Summe:

Nähert sich der Abstand r unendlich (r→∞), nähert sich 1/r dem Wert null (1/r→0). Für die notwendige Hubarbeit, um einen Körper gegen die Gravitationskraft der Erde von ihrer Oberfläche ins Unendliche zu befördern, erhältst du:

Diese Arbeit wird Bindungsenergie (Abtrennarbeit oder Fluchtenergie) genannt.

Potenzielle Energie im Gravitationsfeld

Hebst du unter Aufbringung von Arbeit einen Körper gegen die Gravitationskraft, kannst du diesem Körper – im gehobenen Zustand – eine potenzielle Energie zuschreiben. Lässt du den Körper frei, wird diese potenzielle Energie zum Beispiel in kinetische Energie umgewandelt.

Wie du vielleicht von der potenziellen Energie bei der Hubarbeit noch weißt, ist die Wahl des Nullpunktes der potenziellen Energie (EPot = 0) beliebig, da physikalisch nur die Differenz von potenziellen Energien, also Δ EPot, von Bedeutung ist. Auch bei der potenziellen Energie im Gravitationsfeld können wir den Nullpunkt (das Nullpotenzial) beliebig festlegen.

Der Erdmittelpunkt kann nicht verwendet werden (für r=0 ist 1/r nicht definiert). Auch die Erdoberfläche wäre keine gute Wahl, weil die Erde ja nur ein Planet unter vielen ist. Daher wird das Nullpotenzial im Unendlichen festgelegt (siehe Nullpunkt in Abbildung 4). Dadurch ist der Wert der potenziellen Energie für alle Körper, die an einen Himmelskörper gebunden sind, immer negativ.

Gravitationspotenzial

Die Hubarbeit uund potenzielle Energie iim Gravitationsfeld sind abhängig von der Masse des verwendeten Testkörpers. Um Himmelskörper unabhängig von der jeweils verwendeten Testmasse vergleichen zu können, definieren die Physikerinnen und Physiker eine neue Größe:

V = EPot / m = −G⋅M / r

Durch die Division durch die Masse m des Testkörpers ist diese neue Größe unabhängig von der verwendeten Testmasse. Diese Größe wird Gravitationspotenzial (engl. gravitational potential) genannt. Sie entspricht der potenziellen Energie pro 1kg (Einheitsmasse). Willst du also die potenzielle Energie eines bestimmten Körpers im Gravitationsfeld des Planeten berechnen, multiplizierst du einfach das den Potenzialwert an dem Ort mit der Masse des Körpers:

EPot = m⋅V

Im Abbildung 4 ist das gemeinsame Gravitationspotenzial (dicke schwarze Linie) von Erde (blaue Linie) und Mond (rote Linie) eingezeichnet (Die Massen und Größen von Erde und Mond sind im richtigen Verhältnis, alle anderen Größen sind nicht maßstabsgetreu).

Abbildung 4: Schnitt durch das Gravitationspotenzials von Erde und Mond

Das Gravitationspotenzial von Planeten kann als Gelände modelliert werden. Dabei bilden die Himmelskörper trichterförmige Löcher im Gelände (Potenzialtrichter), wie in Abbildung 5) gezeigt. Würdest du eine kleine Kugel in das Gelände legen, gibt das Gelände vor, in welche Richtung sich die Kugel in Bewegung setzt. Das entspricht auch der Richtung der Beschleunigung einer Raumsonde im Gravitationsfeld der Himmelskörper. Der Punkt P in der Abbildung 4 entspricht dem kräftefreien Punkt (engl. point of zero net force) zwischen Erde und Mond – in diesem Punkt heben sich die anziehenden Gravitationskräfte von Erde und Mond genau auf und die Beschleunigung ist null. Ebenso könntest du eine Kugel dort in das Gelände legen, ohne dass sie beginnen würde herunter zu rollen.

3D Ansicht eine Gravitationspotenzials von zwei Massen
Abbildung 5: 3D Ansicht eine Gravitationspotenzials von zwei Massen